Zwar spielt sich Anthem deutlich besser als befürchtet, bleibt aber hinter den Ambitionen der Fans und der Entwickler zurück. Im Test der PC-Version offenbart „Anthem“ nicht nur spielerische, sondern auch konzeptionelle Mängel.
Es gibt einen Moment in Anthem, der das Potenzial des Actionspiels aus dem Hause BioWare zeigt: Nämlich den, wenn eine Mission gerade angefangen hat und wir mit drei anderen Piloten auf einer Plattform in einem riesigen Tal stehen. Man blickt sich um, bewegt sich ein bisschen und wartet einfach. Schon in der ersten oder zweiten Sekunde zeigt eine Markierung den Weg zum ersten Einsatzziel an. Und in diesem Augenblick springen wir in die Höhe, aktivieren unser Fluggerät und düsen mit unseren verbündeten Kriegern durch die wunderschöne Welt des Planten Bastion.
Doch der Flug kann noch so schön gewesen sein, irgendwann stehen wir wieder auf dem Boden der Tatsachen und das nicht nur virtuell. Es ist nicht alles Gold was glänzt in Anthem. Den Großteil der Missionen verbringen wir mit unseren Begleitern in Kämpfen gegen Spinnenwesen, feindliche Soldaten, Flugsaurier sowie mit Fortschritt der Handlung gegen immer mehr Oberbosse. Für die Kämpfe braucht man nicht unbedingt Können, da sie etwas arcadelastig rüberkamen.
Anthem bietet eine ganzes Arsenal an Waffen an: Von Schrotflinten über Maschinenpistolen bis hin zu Scharfschützengewehren ist alles dabei. Außerdem gibt es auch Spezialgerät, welche auf Knopfdruck eine Granate oder eine zielsuchende Rakete abfeuern können. On top gibt es alle paar Minuten eine zu ultimative Waffe, die ihr verwenden könnt. Nach überstehen einer Abklingzeit sind so das Schießen von größeren Mengen von Torpedos auf einmal möglich.
Die Kämpfe sind schnell und oft chaotisch. Während unseres Tests auf mittleren Schwierigkeitsgrad sind wir höchstens fünf Mal gestorben, und das alleine wegen Dummheit . Ab Level 30 gibt es den sogenannten „Großmeister“-Schwierigkeitsgrad.
Bei diesem Schwierigkeitsgrad sind erfahrene Mitstreiter, die sich mit den Kombos auskennen essentiell wichtig.
Grundsätzlich sind die Missionen in Anthem alleine machbar, aber eigentlich ist Anthem ein Koop-Spiel, in dem nur gegen computergesteuerte Gegner gekämpft wird.
Das Matchmaking weist uns andere Spieler automatisch zu. Mit denen steuern wir die jeweils vorgegebenen Ziele an, schalten dort alle Feinde aus und sammeln am Bildschirmrand vorgegebene Ressourcen oder drücken mal einen Schalter – komplizierter wird es nicht, weswegen keine weitergehende Abstimmung nötig ist. Sobald alle Aufgaben erledigt sind, wird die Mission automatisch beendet.
Eines der großen Probleme von Anthem sind die vielen und meist relativ langen Ladezeiten. So kann es durchaus vorkommen, dasseure Kollegen so gut wie alle Gegner und auch den Rest der Aufgaben, erledigen, während ihr weiterhin minutenlang nur Ladealken anschauen dürft.
Solltet den Anschluss an euer Team verlieren oder den Eingang zu einer Höhle nicht finden, werdet ihr nach 20 Sekunden automatisch zur Gruppe hinterherteleportiert – obendrein mit einer langen Ladezeit. Selbst bei Übertritt in viele der Tunnel, beim Respawn oder bei nicht abzubrechenden Zwischensequenzen gibt es Ladebalken.
In der Kampagne von Anthem hangelt ihr euch von Mission zu Mission und ab und an mal dürft ihr auch freiwillige Nebenmissionen bestreiten. Gemeinsam mit den jeweiligen Zufallsbegleitern wird dann gegen die Armee der Dominion gekämpft. Dominions sind grausame Eroberer aus dem Norden, deren Anführer „Monitor“ heißt. Wie auch immer die Entwickler auf diesen absurden Namen gekommen sind, es bleibt nicht dabei.
Uns gefällt die Handlung und allgemein der Weltenbau von Anthem nicht sonderlich. Gedacht ist das so, dass der Spieler nach und nach mittels Zwischensequenzen, Texteinträgen in einem Cortex sowie über Dialoge mit anderen Figuren immer mehr über Vorgänge erfährt.
Verfügbarkeit und Fazit
Insbesondere die Dialoge – bei denen die Antworten nicht wirklich unterschiedliche Auswirkungen gezeigt haben – sind sehr in die Länge gezogen und langweilig in Szene gesetzt, dass wir uns eigentlich nur wegen der Testsituation durchgequält haben. Zum Glück kann man die Dialoge auch per Klick verkürzen.
Ebenfalls in Fort Tarsis gibt es die Schmiede. Das ist ein Computerterminal, über das die Javelins (Die Jetpack-ähnlichen Anzüge) sowie Waffen und Extras verwaltet und ausgerüstet werden. In Anthem gibt es keinen Talentbaum für unseren Charakter, stattdessen laufen alle Verbesserungen über stärkere Kampfgeräte sowie über zusätzliche Optionen am Javelin, etwa indem wir zusätzliche Gewehre an ihm anbringen können.
In der Schmiede wählen wir außerdem aus, welchen der Javelins wir im Einsatz verwenden wollen. Den ersten dürfen wir nach dem Tutorial aussuchen, bei Level 8, 16 und 26 gibt es eine erneute Auswahl. Es gibt vier Basismodelle: den schweren Colossus mit seiner dicken Panzerung, den leichten Interceptor mit sehr schnell verkettbaren Nahkampfangriffen und den Allrounder Ranger. Die Steuerung der Rüstungen macht besonders viel Spaß auf Konsole, da das Fluggefühl am PC einfach nicht überzeugend ist.
Das Grafikgerüst von Anthem ist die Frostbite-Engine. Diese sorgt auf allen Plattformen für sehr ansehnliche Grafik. Riesige Täler, schön beleuchtete Höhlen und märchenhafte Unterwassersysteme sind einige der atemberaubenden Ortschaften in Anthem. Ein Nachte der Grafikpracht sind die oft langen Ladezeiten.
Zum Glück können wir uns in Anthem im freien Spiel einfach so und ohne Vorgaben allein in der Welt bewegen, wobei eine Übersichtskarte bei der Orientierung hilft. Doch trotz der Hilfestellungen ist die Welt sehr unübersichtlich, und Strukturen wie Fort Tarsis sind grundsätzlich nur als Extragebiet mit entsprechenden Ladezeiten vorhanden und nicht wie eine Siedlung in einem Assassin’s Creed.
Anthem ist für Windows-PC, Xbox One und Playstation 4 erhältlich. Der Preis liegt bei rund 60 Euro, auf Konsolen sind kostenpflichtige Abos von Xbox Live Gold oder Playstation Plus nötig. Nach aktuellem Stand sind keine kostenpflichtigen Erweiterungen, Season- oder Battle-Pass-Angebote geplant. Ab März 2019 soll es kostenlose Zusatzinhalte geben. Von der USK hat das Programm eine Freigabe ab 16 Jahren erhalten.
Fazit
Anthem bietet unterhaltsame sowie simple Ballereien mit toller Grafik. Alleine die Flüge mit den Javelins sind zeitweise richtig packend. Sobald wir mit drei Begleitern durch eine Schlucht rasen und dann bei der Landung das Feuer auf die feindlichen Dominion eröffnen, läuft Anthem zur Hochform auf. Auch das hervorragende Matchmaking und der unkomplizierte Koopmodus gefallen uns.
Mehr Lob haben und finden wir für Anthem nicht. Nur selten gelingt es dem Spiel uns in den Bann einer fremden Welt zu ziehen. Zwar sehen die Charaktere ebenso wie die Umgebungen klasse aus, aber in den Landschaften würden wir uns ohne Markierungen kaum zurechtfinden und die meisten der NPCs finden wir einfach unsympathisch.
Viele Missionen wiederholen sich und bieten eher wenig abwechslungsreiche Aufgaben an. Dramatische Momente finden wir vor allem in den Zwischensequenzen, von denen aber viele mit Geschwafel und einigen der beknacktesten Namen der jüngsten Spielgeschichte komisch wirken. Oft hatten wir das Gefühl, dass wir in den Kämpfen gegenüber einer Armee aus zu kleinen und zu schwachen Feinden standen. Dazu kommen die langen Ladezeiten, teils sogar mitten im Einsatz.
Wer Zeit und Lust hat seine Flugkünste zu verbessern sowie Sozialkompetenz in die Freundesliste und Geld in den Itemshop zu investieren, hat mit Anthem schon seinen Spaß. Durch Updates und Erweiterungen wird das Spiel sicherlich noch ein ticken besser. Doch wir empfehlen euch lieber einen Bogen um dieses Abenteuer von Bioware zu fliegen.