Hellblade: Senua’s Sacrifice im Test – Ein überwältigender Höllentrip

Hellblade – Senua’s Sacrifice © Ninja Theory

Hellblade: Senua’s Sacrifice ist inhaltlich radikal und optisch eine Augenweide. Nur spielerisch hapert es leider gewaltig.

Erst wenige Tage sind vergangen, seit dem Hellblade: Senua’s Sacrifice erschienen ist. Das AAA-Indiegame sahnt durchweg positive Bewertungen ab. Generell ist das Spiel voller netter Details und innovativem Gameplay. Aber worum geht es eigentlich?

Die aus dem heutigen Schottland stammende Pikten-Kriegerin Senua macht sich auf eine persönliche Mission. Weil ihre Geliebter Dillion gestorben ist, reist die Helden ins Höllenreich Helheim. Dort hofft sie, Dillion wieder ins Leben zurückholen zu können. Doch der Weg dorthin ist alles andere als einfach. Verschiedene Monster stellen sich ihr in den Weg. Zusätzlich leidet Senua unter einer Psychose. Das hat zur Folge, dass sie während ihrer Reise ständig Stimmen hört, die mal hilfreiche Tipps bereithalten, mal mit faustdicken Lügen versuchen, die Heldin von ihrem Ziel abzuhalten. Dennoch ist sie bereit, für Ihren Mann durch die Hölle zu gehen. In Helheim bekämpft Senua blutrünstige Krieger und die Dämonen in ihrem Kopf, bis sie sich irgendwann Hel stellen muss, der Herrin der Unterwelt.

Hellblade – Senua’s Sacrifice: Gruß aus der Hölle! Ninja Theory versteht es, die nordische Mythenwelt durch Licht und Schatten gekonnt in Szene zu setzen. © Ninja Theory

Grafisch eine Hausnummer

Optisch ist das Spiel ein wahrer Augenschmaus. Bereits in Heavenly Sword zeigte Ninja Theory vor zehn Jahren, was mit dem Motion-Capture-Verfahren alles möglich ist. Dank Weiterentwicklung der Technik wirken die Charakteranimationen und die vielen verzweifelten Gesichtsausdrücke von Senua noch realer. Auch die Licht- und Schatteneffekte, aber auch die Halluzinationen, Farbänderungen und Unschärfen sehen umwerfend aus. Das Spiel selbst hat kein HUD oder Karte – also keine Hilfsmittel und Gesundheitsindikatoren. Es ist einfach Senua und ihre Umwelt, der Spieler muss sich auf seine Sinne verlassen.

Weniger glänzend ist die Kamera. Die Geschwindigkeit lässt sich nicht anpassen und dadurch wirkt sie etwas träge – und die Linse landet bei Kämpfen oder allgemein wenn es eng wird gern mal hinter Objekten. Ein weiterer Negativpunkt sind die gelegentlichen Framerateruckler. Auch gewöhnungsbedürftig: In Kämpfen wird Senuas Bewegungsfreiheit etwas eingeschränkt. Die Figur soll anscheinend am Gegner dranbleiben, agiles Hin- und Hertänzeln oder Drumherumlaufen wird gedämpft – das steigert zumindest die Dramatik.

Stimmen im Kopf

Der Umgang mit und die Darstellung einer Psychose mit all den beängstigenden Symptomen, macht Hellblade: Senua’s Sacrifice so besonders, denn der Spieler steuert nicht nur Senua, sondern schlüpft tatsächlich in ihre Rolle. Das zeigt zum einen die außergewöhnliche Geräuschkulisse: Vor wichtigen Passagen aber auch zwischendurch wird Senua von ihren inneren Geistern heimgesucht. Die flüsternd-zischenden Stimmen sind mal lauter, mal leiser aus allen Richtungen hörbar. Und die Eingebungen widersprechen sich oft, eine rät zum Rückzug, eine andere befiehlt den Vormarsch, während die dritte wiederum noch mehr Zweifel streut. Das nagt an Senuas Substanz – und letztlich an eurer. Denn ihr müsst entscheiden, welchen Stimmen ihr Gehör schenkt, und welche ihr besser ignoriert.

Neben den Zweifeln gibt es aber auch oft nützliche Hinweise und Motivation, etwa in einem frühen Bosskampf. Da etwa flüstert eine Stimme: „focus“, ein gut gemeinter Hinweis, im richtigen Moment den Dämon per Tastendruck zu fokussieren und damit einen Zeitlupeneffekt auszulösen – eine bis dahin unbekannte Mechanik. Besonders eindrucksvoll machen sich die Stimmen und allgemein die ganze Soundkulisse über Kopfhörer bemerkbar. Vor allem das Voice Acting ist ausgesprochen gelungen, die tiefe Stimme des Off-Sprechers, der etappenweise Geschichten über nordische Götter und Mythen erzählt, und Senuas gesprochene Gedanken erzeugen die richtige Gänsehaut Atmosphäre.

Hellblade – Senua’s Sacrifice: Gruß aus der Hölle! Die Schauspielerin Melina Juergens haucht der Hauptfigur durch gelungenens Performance Capturing eindruckvoll Leben ein. © Ninja Theory

Raffinierte Portal-Rätsel

Senuas Reise durch die keltische Unterwelt ist gespickt mit Rätseln. Uns gefiel auch dabei jene Art, in der sich die Umgebung verändert, wenn Senua durch ein Portal geht. Bereits bevor sie das Tor betritt, erkennt sie von der anderen Seite aus, wie sich die Welt dahinter verändert und ob, wenn sie hindurch geht, ein Hindernis aus dem Weg geräumt wird oder ein neuer Durchgang möglich wird.

Schwache Kämpfe

Im Spiel gibt es kein User-Interface. Dadurch kommt die tolle Optik noch besser. zum Vorschein. Doch bei den Kämpfen hat dies leider die Folge, dass man zu keiner Zeit weiß, wie geschwächt der Gegner bereits ist. Es fehlen optische Hinweise in Form von sichtbaren Verletzungen. So schlägt man ohne große Taktik auf den nächstbesten Feind ein. Die Kämpfe sind zwar nicht schwer, dafür regeneriert sich Senuas Gesundheit zu schnell. Im mittleren Schwierigkeitsgrad können sie aber mit mehreren Minuten bereits nervig lange dauern.

Langweilige Runenrätsel

Um verschiedene Türe zu öffnen, muss Senua oft Runen in der Umgebung finden. Diese können sich aus Landschaftsmerkmalen zusammensetzen oder sind als Feuerspur auf dem Boden zu finden. Das planlose Absuchen der Landschaft gestaltet sich daher als äußerst langweilig und die Rätsel sind wohl auch nur dazu da, die rund achtstündige Spieldauer etwas in die Länge zu strecken.

Fazit

Die akustischen und optischen Finessen sowie Farbenspiele erzeugen eine rundum dichte sowie beklemmende Atmosphäre. Vor allem mit der Inszenierung trifft Ninja Theory absolut ins Schwarze.

Nur die Kamera machte gelegentlich Probleme und erwies sich als ein wenig träge. Auch die Entscheidung über das fehlende User-Inteface schadete beim ziemlich kampflastigen Hellblade: Senua’s Sacrifice, als sie nützt. Ansonsten ist es ein richtig schöner, eindrucksvoller Höllentrip – und sticht erfrischend aus dem Spiele-Einheitsbrei heraus! Zudem, dass das wie ein Vollpreis-Titel wirkende Game für 30 Euro ein echtes Schnäppchen ist. Wer sich entfernt für die keltische Mythologie interessiert und sich auch mal mit einer abgedrehten Protagonistin identifizieren kann, macht mit Hellblade: Senua’s Sacrifice nicht viel falsch.

 

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